Biwakieren mit Geissen
Zu den absoluten Highlights des Geissentrekkings gehört das Biwakieren. Schon in meinen Anfängen der Ziegenhaltung war mir klar, dass ich mit diesen faszinierenden, geselligen und humorvollen Tieren unterwegs sein wollte. Einerseits auf Tagestouren aber auch mehrere Tage mit biwakieren. Damals lebten wir noch in Regensdorf (Zh) und das naheliegendste “Gebiet” für solche Unternehmungen war der Altberg und das Wiesentäli.
Mittlerweile sind wir schon etwas frecher geworden und unser nächstes Projekt ist der Ausflug (3-4 Tage) zur Gorner, ähh, dreiviertel, ach nein Bischmer Alpa
Unser erstes Biwak
Ich kann mich noch sehr gut an diese erste Tour mit biwakieren erinnern. Den chaotischen Start – wie ich nervös und unsicher versuchte die stark befahrene Hauptstrasse zu überqueren, 4 Geissen angeleint die alle genauso nervös und unsicher waren wie ich und demzufolge in alle Richtungen rannten. Nach den ersten 50m unserer Tour war ich schon schweissgebadet …
Merke: Deine eigene Stimmung überträgt sich 1:1 auf die Geissen. Nervös und unsicher ist schonmal komplett falsch.
Als wir jedoch diese Hürde gemeistert hatten lief die Tour bestens. Ich lernte schnell den Laufrhythmus der Geissen kennen, aber auch, dass man an Obstbäumen und Gärten zügig vorbeigehen kann und sie brav und mit schwerem Herzen nachtrotten. Eine Erfahrung die mir heute dabei hilft Dörfer zügig zu durchqueren ohne das sämtliche Blumenkisten geplündert werden.
Bei der Waldschenke Altberg angekommen lies ich die braven Geissen erstmal etwas weiden. Danach wollte ich natürlich auch eine Erfrischung zu mir nehmen …
Merke: Gartenbeizen und Geissen sind nicht kompatibel. Was Menschen als Tischdekoration sehen, sehen Geissen als Leckerli. Das Geiss dazu auf den Tisch springen muss, liegt in der Natur der Sache.
Vom Altberg runter ins Wiesentäli verlief dann aber wieder glatt und die Geissen genossen die saftigen Wiesen …
So neigte sich der Tag langsam seinem Ende zu. Ein geeigneter Platz um den Schlafsack auzubreiten war auch schon gefunden. So langsam fragte ich mich dann doch wie unsere erste Nacht so verlaufen würde … Immerhin waren sie nicht angebunden! Das beruhigende bimmeln der Glöckchen lullte mich dann aber schnell in den Schlaf. Als ich in der Nacht erwachte und kein Bimmeln mehr hörte stieg dann doch kurz Panik auf – bis ich feststellte das alle Geissen tief schlafend um mich herum im Gras lagen. Shayenne sogar so nahe, dass sie beim Ausatmen die Luft in meinen Schlafsack blies.
Merke: Du bist der Hirte, sie vertrauen dir und auf unbekanntem Terrain suchen sie deine Nähe und verlassen sich auf dich.
So wie mich das Bimmeln in den Schlaf gelullt hatte, weckte es mich am Morgen (08:00) als die Geissen in einem Umkreis von 20m um mich herum Frühstückten. So genossen wir zusammen einen gemütlichen Tag und durften gegen Abend nochmals und etwa gleich chaotisch wie am Vortag die Hauptstrasse überqueren.
So folgten noch einige Wochenendtouren und gemütliche Übernachtungen im schönen Wiesentäli. Wobei die doofe Strasse auch nach 50 Überquerungen ein Stressfaktor blieb.
Bettmerseefäscht 2018
Nachdem mich 2018 meine Geissen dazu überredet hatten mit ihnen ins Wallis oder genauer nach Betten zu ziehen, fand im Juli das berühmte Bettmerseefäscht statt. Natürlich besuchte ich dieses mit den Geissen. Es war mir klar, dass wir vor dem Eindunkeln nicht mehr nach Betten zurückkommen würden. Also verliessen wir vor 20:00 Uhr die Alpe und suchten einen geeigneten Platz unterhalb, auf den Matten bei einem der vielen Ställe. Ich fand einen Platz, war aber damit nicht so wirklich glücklich … Shayenne erkannte offenbar meine Absicht hier zu bleiben und war aber auch nicht so erbaut von meiner Wahl. Nachdem wir schon rund eine Stunde bei dem Stall verbracht hatten, latschte Shayenne davon. Gemütlich und alle 20m stehen bleibend blickte sie sich zu uns um. Der Blick hiess unmissverstädlich «chömmed». Erstaunlicherweise blieben Carla, Anna und Gorgo bei mir, blickten aber etwas unschlüssig zwischen mir und Shayenne hin und her. Also packte ich meinen Rucksack um Shayenne zu folgen. Diese, mittlerweile fast 100m entfernt, wartete als sie sah das wir ihr folgten, blieb aber immer etwa 20m vor uns und lief zielstrebig weiter. Hatte sie einen Plan? Sie kannte diese Gegend damals so wenig wie ich … Als wir über eine kleine Krete kamen, war klar wohin sie strebte – eine gemütliche Alphütte mit bester und flacher Wiese davor und notabene fantasticher Weitsicht. Hocherhobenen Hauptes, sichtlich Stolz “uns” geführt zu haben, legte sich Madame in die Wiese und so genossen wir die Dämmerung bis ich wieder in den Tiefschlaf sank.
Merke: Mit der Zeit lernte ich auch den Geissen zu vertrauen. Gut ob ich jetzt Carla in diesem speziellen Fall genau so vertraut hätte, wage ich zu bezweifeln. Shayenne mit ihrer ruhigen und eher besonnenen Art steht aber ausser Zweifel.
Langer Rede kurzer Sinn
- Wir mussten gemeinsam unsere Erfahrungen machen und ein Team bilden welches sich gegenseitig Vertraut.
- Als Hirte muss ich Ruhe bewahren/ausstrahlen (wenn das im Innern auch nicht unbedingt zutrifft). Meine Stimmungen/Unsicherheiten werden von den Geissen sofort wahr genommen.
- Als 2019 Sämeli (Samantha), Diana und Lionel zur Gruppe neu dazu kamen, waren sie ausserhalb der Weide sofort “eine” Gruppe und im Biwak genauso eng beieinander wie die Alteingesessenen. In der Weide dauert dieser Prozess bedeutend länger.
- Bereits wenige Tage nach dem Eintreffen der Neuen machten wir die ersten gemeinsamen Ausflüge. Anfangs entfernten sich die drei etwas weiter von der Gruppe weg, bildeten eine eigene Gruppe, , liefen letztendlich aber immer mit.
- Suche deinen Biwakplatz sorgfältig und nach den Bedürfnissen der Geissen aus (meist passts dann auch für Menschen recht gut). Ohne störende Einflüsse, windgeschützt, übersichtlich.
- Natürlich können meine Gäste/Begleiter*innen gerne ein Zelt mitnehmen. Für meinen Teil schlafe ich draussen bei den Geissen, bei Taunässe unter einer leichten, 3x3m grossen Plane. Diese 9m2 muss ich dann halt mit den Geissen teilen. Naja, sie wollen ja auch nicht nass werden …
- Geissen sind Fluchttiere. Meine sind mir auch schon “devogsecklet”. Da reicht ein Gleitschirmflieger der zu nahe vorbeifliegt. Mit der Zeit lernte ich, dass es reicht wenn ich Shayenne im Vorfeld halten und ihr beruhigend zureden kann. 100% ausschliessen kann man eine Flucht aber nie. Meist rennen sie aber nicht so weit (die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt …).
Biwak in der Praxis
Es soll vor allem eines – Spass machen und Entspannung pur bringen. Ein Feuer und etwas grillieren sofern die Umstände dies erlauben oder sonst etwas Pasta oder ein Fertiggericht auf dem Kocher zubereitet und ein warmes Getränk (Tee) vor dem zubettgehen und schon schläft man selig ein.
Bei Gewitterneigung muss es einen Plan B geben. Einen Stall in der Nähe als Zufluchtsort für Mensch und Geissen vorher und bei Tageslicht erkunden (Einsturzgefahr!).
Reduziert euer Material auf ein Minimum. Ich habe meine Nikon SLR, stolze 2kg schwer, schon zigfach durch die Alpen getragen und letztendlich 2 Bilder damit gemacht. Klar macht sie viel bessere Fotos als mein Smartphone, aber eben es sind 2kg mehr … Auch zu Essen hatte ich tendenziell eher zu viel als zu wenig dabei. Früchte, Powerriegel (Kagifrett oder Ovoschoggi sind auch toll), ein Stück Käse reichen mir meist während des Tages.
Zusammenfassend
Wetter | Touren > 2 Tage bedingen eine stabile Hochdrucklage möglichst ohne Gewitterneigung. Bei starkem Regen laufen die Geissen ganz einfach nicht, sondern suchen Schutz. |
Ausrüstung | Biwakmaterial tragen die Geissen im Gepäck. Ein Taschenmesser gehört doch sowieso dazu. Es ist generell eine gute Idee ein paar Leinen (3 oder 4mm) dabei zu haben. |
Biwak | Schlafsck: Bei Höhen unter 2000m und im Sommer reicht ein leichter Schlafsack bis 8°C. Evtl. mit einer Seideneinlage. Für Höhen um 2000-2200m ein Modell bis -1°C. Da wir nicht auf nacktem Fels liegen, lässt sich eine Unterlage aus Gras oder Heu, Laub basteln. Taunässe ist unangenehm und bedingt evtl. dass wir einen Unterstand finden/bauen. Ich benutze ein 3x3m grosses und sehr leichtes Tarp welches sich auch zwischen Bäumen aufspannen lässt. |
Food | Ich habe Anfangs immer eher zu viel zu Essen dabei gehabt und entsprechend wieder nach Hause getragen. Pro Kopf und Tag rechnet man min ca. 1kg. Eine gute Lösung und sehr leicht und platzsparend zu tarnsportieren ist gefriergetrocknete Instantnahrung. Etwas Käse und Wurst, ein paar Biskuits oder ein Müesliriegel während des Tages reichen meist. Am Abend etwas über dem Feuer oder auf dem Grill zu bräteln ist aber auch eine gute Idee. |
Bekleidung | Gutes Schuhwerk (Berg- oder Trekkingschuhe), Regenschutz, Ersatzunterwäsche, -socken. Die Kleidung sollte am Abend im Biwack gewechselt werden können (Trainer). Ich trage im Biwak gerne Crocs weil die leicht und bequem sind. Ein warmer Pulli/Fleecejacke für am Abend ist empfehlenswert. Waschzeug & Zahnbürste. |
Feuer | Natürlich ist unser Ziel den Abend an einem gemütlichen Lagerfeuer zu verbringen. Allerdings herrscht im Wallis oft Waldbrandgefahr und somit ist ein offenes Feuer nicht möglich. Wir werden dies im Vorfeld abklären und schlimmstenfalls das Grillgut samt Grill zu Hause lassen. |
Energie | Für Smartphones, Kameras etc. muss uns eine Powerbank über die Runden helfen. Wir sind i.A. weit weg von Steckdosen. Tipp: Handy in Stromspar- oder Flugmodus setzen. Müsst ihr erreichbar sein, Zeitfenster definieren wann ihr das seid. |
Die kleinen und grossen Geschäfte | Die kleinen sind ja nicht das Problem. Fürs grosse graben wir eine Vertiefung die wir am Schluss wieder zudecken. Toilettenpapier gehört nicht in die Natur. Kann auch verbrannt werden. Toilettenpapier oder Papier-Taschentücher nicht vergessen. |
Sonstiges | Generell gilt - weniger ist mehr. Die Geissen können uns zwar ca. 15-20kg abnehmen. Das heisst aber nicht, dass wir alles mögliche durch die Alpen schleppen (lassen). |