Chind und Geissä / Kids’n goates

Published by rat on

Im Rahmen des Gletschi Programmes besuchen die Kinder die Geissen auf ihrer Weide in Betten. Von hier aus starten wir mit unserem Spazier-/Weidegang.

Als ich dieses Programm mit den Gletschi-Kids startete war ich etwas skeptisch weil meine Geissen doch recht ungestüm sein können. Nicht aggressiv, aber halt schon ein wilder Haufen. Umso erstaunter war ich als ich feststellte, dass die Geissen ruhiger werden wenn die Kinder da sind, auf eine, ihre, Art rücksichtsvoll.
Letztes Jahr, wir sassen in der Runde und Corinne, Leiterin der Gletschi-Kids, erzählte gerade die Geschichte von “Charlie dem stinkenden Geissbock” legte sich Gorgo mit in die Runde. Gorgo ist der Grösste der Geissengruppe und überragt die meisten der Kinder. Mit seinen langen Hörnern macht er schon ordentlich Eindruck, er ist aber eher ein Schmusebärchen. Nach einer Weile erhob sich Gorgo um die Runde zu verlassen. Da er nicht rückwärts laufen wollte, entschied er sich dazu über Corinne hinwegzusteigen. Langsam und mit viel Feingefühl, ohne auf Corinne draufzutreten, lief er einfach über sie hinweg. Er hätte ja auch einfach über ein Kind laufen können. Die wären kleiner gewesen, aber er entschied sich für die erwachsene Corinne.
Später in der Saison entschlossen wir uns, mit den Geissen einen Weide-Spaziergang zu machen weil uns das sinnvoller erschien. Es hat immer Kinder dabei die etwas Angst vor den Geissen haben oder sich in der Weide schnell mal langweilen.

Ein weiteres eindrückliches Erlebnis dafür, dass Geissen Empathie entwicklen können:
Mit 2 Müttern und einer Horde Kinder waren wir, ebenfalls bei einem Weide-Spaziergang, unterwegs oberhalb von Betten. Einer der Jungs hatte einen Ast gefunden und benutzte diesen als Hirtenstock. Ein Mädchen fragte den Jungen, ob sie den Stock einmal ausleihen dürfe. Er übergab seinen Hirtenstock. In der Folge fuchtelte das Mädchen etwas unglücklich mit dem Stock herum und traf den Jungen dabei am Arm was ihm offenbar weh tat und er laut schreiend zu seiner Mutter rannte. Dem Mädchen tat es unendlich leid, dass sie ohne Absicht dem Jungen Schmerz zugefügt hatte. Sie lief dann leise weinend, schniefend und tief betrübt weiter. Sofort gesellten sich Lionel und Diana zu ihr, nahmen sie in die Mitte und spazierten mit ihr weiter. Sie wichen erst von ihrer Seite als sie nicht mehr weinte.

So unzimperlich die Geissen manchmal untereinander sind, sobald man mit ihnen unterwegs ist legen sie ein recht feinfühliges Wesen an den Tag. Speziell im Umgang mit Kindern. Klar gibt es auch immer wieder mal Kinder die mögen die Gesellschaft der Geissen nicht besonders, sind halt keine Kuscheltiere in dem Sinne. Aber sogar das begreifen die Geissen relativ schnell und lassen die Kinder in der Folge in Ruhe.
Ein paar wenige Kinder hatten auch schon Erfahrungen mit den Hörnern gemacht. Die natürliche Abwehrreaktion der Geissen ist halt mit dem Kopf, und demzufolge mit den Hörnern. Aus Sicht der Geiss ist das eine sanfte Abwehr, die Bewegung erfolgt auch sehr langsam, nicht ein Hornstoss und schon gar kein Angriff.

Geissen und Kinder verstehen sich bestens, so mein Fazit nach drei Sommern und anfänglichen Bedenken. Begegnen sich beide mit Respekt und Liebe wird daraus jedes mal ein unvergessliches Erlebnis.
Steht ein Kind unter einem Baum mit herrlichen Blättern kommt garantiert eine Geiss daher, schaut zu dem verführerischen Ast hoch und abwechselnd zu dem Kinde um zu sagen “Bitte biege den Ast herunter damit ich die Blätter fressen kann”. Da Liebe bekanntlich durch den Magen geht wird die Geiss das Kind sofort ins Herz schliessen.

Lionel entwickelt sich zum totalen Schmusebock und sucht die Nähe zu den Kindern. Nicht die Kinder setzen sich zu ihm, nein, er sucht ihre Nähe und legt sich mitten in die Kinder hinein. Die dürfen (sollen?) ihn knuddeln oder Zöpfe flechten, er geniesst dies sehr. Bock im Korb? Mittlerweile ist er aber auch kein kleines Böckchen mehr, zwar noch etwas kleiner als Gorgo, aber doch auch schon ein statlicher Bock um die 60kg.